Habe vor kurzem ein laufendes Opensuse 12.3-System auf Opensuse 13.1 upgegradet. Das ging bis auf einige Schwierigkeiten mit der neuen Apache 2.4 Version relativ problemfrei – nur ein lokaler Open-Xchange 6.22 Server hat das nicht überlebt. Na ja, ganz stimmt das so nicht – eigentlich überlebte nur das vom Server bereitgestellte Web-Interface nicht. Aus welchen Gründen auch immer – das für OX6 reservierte Verzeichnis im Bereich “/srv/www/htdocs” war nach dem Update und einem Neustart von OX6 von allen relevanten Dateien befreit, obwohl die Verzeichnisstruktur erhalten geblieben war.
Ich konnte den ursprünglichen Zustand aus Backups zwar wieder restaurieren. Da das Problem mit Open-Xchange und Opensuse-Upgrades aber nicht zum ersten Mal aufetreten, freunde ich mich gerade mit dem Gedanken an, ganz auf diese Groupware-Lösung zu verzichten. Das hat neben der Anfälligkeit gegenüber System-Updates noch mehrere andere Gründe:
Grund 1: Keine Lizenz-Variante für SLES unter 25 User
Ich habe nicht vergessen, wie uneinsichtig sich OX bzgl. eines Upgrades von einer 5-User-Lösung unter SLES beim Wechsel von OX 5 auf OX 6 zeigte. Damals bekam ich klar Bescheid, dass ich entweder auf einen UC-Server umsteigen oder eben eine 25 User-Lizenz erwerben müsse. Dabei war mir der Umstieg auf eine 5-User-Lizenz von einer ursprünglichen 25 User umfassenden SLOX-Lösung von OX selbst empfohlen worden. OK, die Botschaft kam an – OX wollte ab den ersten Erfolgen mit 1&1 offenbar nur noch hinreichend große Kunden haben und entsprechend Geld verdienen. Das auch kleine Unternehmen einen SLES oder RHEL einsetzen, war den Strategen in den USA wohl egal. Als Konsequenz habe ich mit der Community-Version von OX6 dann sehr gut ein paar Jahre unter Opensuse und ohne jede Lizenzgebühr gelebt. Jetzt ist auch damit Schluss.
Grund 2: Verschwindender Support für die Community Edition
Wie wenig die Community Edition noch Bedeutung hat, kann man auch dem Inhalt und Aufbau der aktuellen OX-Website entnehmen. Eine spezielle Seite für die CE gibt es nicht mehr. Die Anzahl der CE-Forenbeiträge pro Zeiteinheit wird auch immer dünner. Am schlimmsten ist aber der aus meiner Sicht katastrophale Zustand der OX-Repositories für Opensuse. Dafür scheint sich wirklich niemand mehr zu interessieren.
Grund 3: Ausrichtung auf soziale Medien und weiter zunehmende Kommerzialisierung
Mir passt die zum Programm erhobene Ausrichtung von OX ≥ V7 auf die sogenannten “sozialen” Medien nicht. Das hat aus meiner Sicht in einer Firmen-Groupware schon aus Sicherheitsgründen wenig bis gar nichts zu suchen. Nicht alles, was populär ist und dem Kommerz – speziell von SaaS-Anbietern – dient, ist auch gut.
Grund 4: Unübersichtliches Backend
Technisch wirkt auch das Java/OSGI-Backend-Konstrukt zunehmend zu komplex bis unübersichtlich, um damit weiter in einer nicht kommerziellen Server-Umgebung herumzudoktern. Ich verstehe, dass man hochgradig skalierbare Lösungen für den Einsatz in großen Unternehmen und speziell für SaaS benötigt. Aber irgendwie wirkt der Einsatz einer vollen Java-Architektur wie ein Overkill für die Ansprüche kleiner, mittelständischer Firmen an eine Groupware.
Grund 5: Einarbeitungszeit
Die Zeit, die man typischerweise in eine funktionierende Installation unter Opensuse 12.3 für die 7-er Version des Open-Xchange-Servers stecken muss, ist nach meinem Gefühl genauso groß wie die, sich in Alternativen einzuarbeiten.
Grund 6: Fehlende Replikationsmöglichkeiten
Meine erste eingesetzte Groupware war Lotus Notes 5/6 unter Linux. Ein Riesenvorteil von Lotus war die Server-Replikationsfähigkeit. Etwas Entsprechendes habe ich bei Open-Xchange immer vermisst.
Vor kurzem ist Opensuse 13.1 erschienen. Diese soll einen deutlich längeren Support erhalten als andere Opensuse-Versionen. Ein Umstieg auf eine neue opensource-basierte
Groupware-Lösung, die unter OS 13.1 funktioniert, erscheint mir daher als ein vernünftiger Schritt.
Was werde ich an OX vermissen ? Vielleicht Info-Store, vielleicht auch das gut organisierte Web-Interface …. aber bzgl. der Organization und Versionierung von wichtigen Dokumenten setzen wir seit ca. einem Jahr mit gutem Erfolg SVN und ein Wiki ein. Und als Groupware-Interface haben wir meist Kontact und nicht das Web-Interface benutzt ….. Und Ajax können auch andere Groupware-Hersteller ….
Vermissen werde ich vielleicht auch die kritischen Kommentare vom aktuellen OX CEO Rafael Laguna zur zunehmenden Kontrolle des Internets – durch staatliche Institutionen, aber nicht zuletzt auch durch und mit Hilfe der zugehörigen großen Monopol-Firmen des Internets ….. Wie schreibt er so schön:
“Before you blame the government for the filthy roads, clean your own yard! ”
Stimmt ! Aber warum sollte ausgerechnet eine Firma, die ihre Entwicklungskapazitäten zunehmend genau an den Vorgaben der kritisierten Giganten ausgerichtet hat und vor allem große und landesweit bis länderübergreifende SaaS-Partner umwirbt, besonders glaubwürdig dafür sein, die Rechte und Interessen der am meisten betroffenen normalen Nutzer und kleiner Firmen zu vertreten ?