Hatte ich doch noch vor ein paar Tagen in diesem Blog darüber spekuliert, dass das EuGH-Urteil nicht ohne Folgen bleiben wird und es auch den deutschen Datenschutzbestimmungen ein breite Bresche schlägt. Siehe
https://linux-blog.anracom.com/2015/10/13/eugh-urteil-zu-safe-harbour-und-die-reaktion-der-vordenker-zeitschrift-die-zeit/
Und was passiert: Eine wachsende Anzahl deutsche Nutzer der Google Suchmaschine erhalten nun – mit oder ohne Google-Konto – regelmäßig und mit verschärfter Tonlage eine Einblendung, über die der Anwender dem Unternehmen Google quasi eine Zustimmung zum Datensammeln erteilen muss, wenn er die Google Dienste – in diesem Fall die Suchmaschine – weiter nutzen will. Zuletzt hat der Stern darüber berichtet; siehe
http://www.stern.de/tv/google-datenschutzeinstellung–hinweise-zum-pop-up-6512842.html#mg-1_1445528506974
Dieses in die Suchmaschinenseiten eingebettete, relativ groß dimensionierte “Pop-Up” bietet keine Möglichkeit, das Verlangen von Google abzulehnen.
Das eigentlich Erschreckende – wenn auch kaum Neue – ist, dass Einem beim genauen Lesen der weiteren Dialoge (speziell beim Durcharbeiten der “Optionen”) das erklärte Ziel der Zustimmung sehr klar vor Augen geführt wird – nämlich die Erlaubnis nicht nur zur Erfassung sondern auch zur Zusammenführung letztlich personenbezogener Daten auf allen Ebenen. In diesem Zusammenhang von Daten-“Schutz” zu reden würde selbst Herrn Orwell wundern. Nun, damit ist wenigstens für Klarheit gesorgt. Verwunderlich ist das nicht – mit Persönlichkeitsprofilen und Werbung verdient Google ja schließlich sein Geld.
Google erlaubt einem dann netterweise noch einen Streifzug durch diverse browser- und dienste-bezogenen Einstellungen. Man kann zwar einige Einstellungen ändern – aber die schränken Werbung und das dafür erforderliche Datensammeln lediglich etwas ein – beendet wird das Erheben von Daten zur eigenen Person und zum Verhalten bei der Suche mit Google dadurch keinesfalls. Auch die Werbung wird nicht komplett unterbunden. Das wird fairerweise auch gesagt. Konsequenterweise bietet Google’s aktuelle Popup-Meldung auf den Seiten der Suchmaschine auch keine Option zum pauschalen Ablehnen des Erfassens und Zusammenführens meiner personenbezogenen Daten an. Das ist eine klare und deutliche Botschaft: Gib mir deine Daten oder nutze meinen Dienst nicht!
Ich finde das keineswegs verwerflich. Nur außerordentlich überdenkenswert – und mit hohem Druck auf den Anwender unterlegt. Nicht verwerflich heißt für mich dabei noch lange nicht gut. Google will angesichts der rechtlich verschärften Lage vom (deutschen?) Nutzer nun offenbar eine explizite Zustimmung erzwingen und damit Rechtssicherheit für das eigene Unternehmen schaffen. Wir haben es hier mit einem, nicht mehr ganz neuen Phänomen, das ich “Erzwingungs-Popup” nennen möchte, zu tun. Einer Art Eula für die Suchmaschine …
Noch – wohlgemerkt noch (!) – ist die Lage aber nicht ganz hoffnungslos. Wenn man als Nutzer von Google das Sammeln von Daten zum eigenen Persönlichkeits- und Verhaltensmuster auch nicht nicht mehr implizit oder pauschal ablehnen kann, so kann man es wenigstens teilweise umgehen – wenn auch vermutlich nur für einige Zeit. Auf das Wie komme ich weiter unten zurück.
Ist das Ganze eigentlich überraschend? Habe ich eigentlich etwas anderes erwartet? Nein! Schließlich stellen die zunehmend präzisierten deutsche Datenschutzanforderungen, das EuGH-Urteil und auch ein insgesamt vermehrtes Bewusstsein für Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung zumindest in Deutschland die aktuellen Geschäftsmodelle nicht nur von Google, sondern diverser Internet-Giganten grundlegend in Frage. Das provoziert Reaktionen und
führt fast zwangsläufig zu diesen Methoden.
Das hat auch sein Gutes – denn die Interessengegensätze zwischen Geldverdienen mit Persönlichkeitsprofilen und den Anforderungen nach informationeller Selbstbestimmung in einer Demokratie treten so klarer zu Tage. Das kann der Diskussion nur dienlich sein. Zudem sollte jedem Nutzer hierzulande bewusst werden, wie abhängig wir uns von den durchaus nützlichen Diensten der US-Internet und IT-Giganten gemacht haben – ohne regelmäßig zu bedenken, dass es im Internet nichts umsonst gibt. Wir bezahlen so oder so – mit Geld oder Daten zu unserer Persönlichkeit, unseren Gewohnheiten und Interessen. Das ist eine nüchterne Feststellung – die Kritik richtet sich hier in erster Linie an die eigenen Versäumnisse und nicht dagegen, dass Google klar definierte Geschäftsinteressen verfolgt. Das ist aus meiner Sicht zumindest im Rahmen geltender Gesetze völlig legitim.
Was kann man aktuell tun?
Zähneknirschend zustimmen mag für viele eine Option sein. Bei mir ist es zunächst so, dass ich mich ungern zu solchen weitreichenden Entscheidungen über eine Meldung auf einer Webseite erpressen lasse. Freiheit der Meinungsbildung und auch der Entscheidung ist mir konservativem Menschen eben wichtig. Meinungsbildung erfordert zudem Zeit – und nicht einen spontanen Klick mit der Maus. Nun kann man durchaus etwas auf Zeit spielen – und sei es nur deswegen, um sich die Sache nochmal gründlich durch den Kopf gehen zu lassen:
- Im Google-Erzwingungs-Popup bzw. in der Googlemeldung zunächst und so lange es möglich ist auf “Später lesen” klicken.
- Google wird sich nach einiger Zeit wieder melden und dem Nutzer im Ton und Layout der Meldung keine Wahl mehr lassen, als sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen.
- Dann erst mal die “Optionen” wahrnehmen und den folgenden, durchaus interessanten Spaziergang durch die Einstellmöglichkeiten mitmachen. Dabei das Maximale im Sinne der Privatsphäre herausholen.
- Dann eben nicht einfach zustimmen – es sei denn man will es wirklich. Sondern die geöffnete Webseite mit der Google-Suche schlicht schließen.
- Alle Cookies oder speziell die Cookies von Google löschen. (Und soweit möglich, über seinen Router vom Internet-Provider mal häufiger eine neue IP anfordern.)
- Firefox im Bereich “Privatsphäre” so einstellen, dass er alle Cookies beim Beenden des Browsers automatisch löscht. Für andere Browser bzw. eine ältere FF-Version analoge Einstellmöglichkeiten ausfindig machen.
Das wirkt erstmal, weil der Mechanismus hinter dem Erzwingungs-Popup z.Z. offenbar noch cookie-basiert ist. Leider verfügt Google natürlich noch über andere Mittel, eine konkrete Person bei der Nutzung der Suchmaschine zu identifizieren. Das Ganze wird also nur eine vorübergehende Lösung sein. Da ich nicht wirklich damit rechne, dass Google ein Einsehen zeigen wird, bleibt danach vermutlich nur,
- konsequent den “Tor”-Browser zu nutzen,
- Suchen bei Google über die Seite https://search.disconnect.me/ durchzuführen (bis Google das auch nicht mehr zulässt),
- schlicht die Suchmaschine zu wechseln (bis auch die anderen IT-Konzerne über ähnliche Erzwingungsmethoden die Zustimmung des Nutzers zum Datensammeln erzwingen). Z.Z. lohnt sich zudem ein Blick auf Meta-Suchmaschinen wie “startpage.com” oder “https://www.ixquick.com/deu/”.
oder eben doch entnervt zuzustimmen. Man hat – egal wie – aber letztlich nur die Möglichkeit des Versuchs einer anonymisierten Dienste-Nutzung! Um die Dienste selbst kommt man kaum herum. Und schmerzlichst wird einem wieder bewusst: Leider haben wir Europäer bislang kein
qualitativ gleichwertiges Äquivalent zu Google. Ich finde zudem: den ungehinderten Zugang zu Informationen im Internet bei Wahrung der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes zu gewährleisten, ist zudem eine Hauptaufgabe eines modernen, demokratischen Staates. Ich halte es für eine Mär, dass dies mit polizeilichen Schutzaufgaben nur schwer vereinbar sei.
Liebes Unternehmen Google! Ihr habt in eurem Kerngeschäft großartige Arbeit geleistet und bietet viele nützliche und wichtige Dienste an – das steht außer Zweifel. Die Suche nach und der Zugang zu Informationen im Internet ist ein wichtiges Gut, für das ihr mit den Boden bereitet habt. Ich glaube euch sogar, dass Ihr jetzt bzgl. Datenschutz noch was lernen und vielleicht auch umsetzen wollt – solange es eure Einnahmen nicht substanziell gefährdet. Aber Datenschutz fängt mit begründetem (!) Vertrauen und nicht mit Zwangsmaßnahmen an. Das müsst ihr offenbar als Allererstes lernen …. Meines jedenfalls habt ihr heute mal wieder erschüttert. So sehr ich eure Dienste auch schätze …. Offen bleibt zudem die Frage, wie denn das Vorgehen eigentlich mit dem EuGH-Urteil in Einklang zu bringen ist. Denn es gibt ernstzunehmende Interpretationen, die genau euer Vorgehen in Frage stellen:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/maechtige-internetriesen/uld-schlewigholstein-haelt-safe-harbor-fuer-nicht-umgehbar-13858360.html
Was ist eigentlich mit der Idee, dass ihr Geld für eure Dienste verlangt und im Gegenzug zahlenden Kunden garantiert, dass das Suchverhalten nicht nachverfolgt wird, keine user-bezogenen Daten erhoben werden und dass der Suchdienst primär über europäische Server läuft? Das wäre wenigstens ein klares, offenes und ehrliches Geschäftsmodell. Wie ich euch kenne, arbeitet ihr daran bereits … Und eine teilweise Kostenübernahme für bedürftige und finanziell Schwache wäre dann Gegenstand einer politischen Diskussion zur Verbesserung unseres Sozialsystems. Auch das kann der laufenden Auseinandersetzung um Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung als Grundpfeiler einer modernen Demokratie nur dienen.
Links
https://www.datenschutzbeauftragter-info.de/google-verlangt-einwilligung-ich-stimme-zu/
https://www.verbraucherzentrale.de/google-datenschutz
http://www.stern.de/tv/google-datenschutzeinstellung–hinweise-zum-pop-up-6512842.html#mg-1_1445528506974
http://www.netz-trends.de/id/4353/Verstoesst-Google-mit-seinen-Datenschutz-Einblendungen-gegen-deutsches-und-EU-Recht/
http://www.googlewatchblog.de/2015/07/google-zeigt-hinweise-zum-datenschutz-bei-google/comment-page-1/#comment-141396
http://www.handelsblatt.com/my/unternehmen/it-medien/zugestaendnisse-beim-datenschutz-google-will-erwachsen-werden/12471656.html?ticket=ST-5951533-pfjOxbEXcfbs1bCsfajP-s02lcgiacc01.vhb.de
http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article141754265/So-aendern-Sie-was-Google-ueber-Sie-speichern-darf.html
http://www.datenschutzbeauftragter-online.de/google-und-datenschutz/
http://www.deutschlandfunk.de/datenschutz-google-zwischen-transparenz-und-augenwischerei.735.de.html?dram:article_id=326641