Schön, dass Microsoft für Forschungszwecke Linux nutzt – weiter so …

Heute früh hatte ich das Vergnügen, einen Artikel zu aktuellen Durchbrüchen von Microsoft in der Spracherkennung auf Basis trainierter neuronaler LSTM-Netzwerke zu lesen:
W. Xiong, J. Droppo, X. Huang, F. Seide, M. Seltzer, A. Stolcke, D. Yu and G. Zweig: “Achieving Human Parity In Conversational Speech Recognition”, Microsoft Research.
Technical Report MSR-TR-2016-71, 2016
Siehe: https://arxiv.org/pdf/1610.05256v1.pdf

Dabei fiel mir neben den interessanten wissenschaftlichen und technischen Erläuterungen eine kleine Passage auf, die meine übliche Morgenmuffel-Stimmung beträchtlich aufhellte. Zitat:

“All neural networks in the final system were trained with the Microsoft Cognitive Toolkit, or CNTK [63, 64], on a Linux-based multi-GPU server farm. CNTK allows for flexible model definition, while at the same time scaling very efficiently across multiple GPUs and multiple servers. The resulting fast experimental turnaround using the full 2000h corpus was critical for our work.”

Sowas liest man doch gerne ….

Windows 7 Updates – ein erzwungener Blick ins alltägliche Leiden vieler Zeitgenossen …

Es gibt Tage, in die der Ärger schon einprogrammiert ist. Zu solchen Tagen gehören oftmals solche, an denen man sich gezwungenermaßen mit Windows auseinandersetzen muss. Ich war vorgewarnt: Eine gute Bekannte schafft es seit ca. 6 Monaten nicht mehr, ihr WIN 7-System auf den neuesten Stand zu bringen. Nach ihrer Aussage werkelt der PC Ewigkeiten vor sich hin – von 2 CPU-Kernen ihres Laptops sei einer immer ausgelastet. Aus dem Bereich des Windows-Update-Tools kämen zudem laufend Fehlermeldungen … Sie wisse nicht mehr, was sie tun solle … (Den Rat, auf Linux zu setzen, mag sie leider aber immer noch nicht annehmen …). Tja, mir fällt da nur der Satz ein: Drum prüfe, wer sich und seinen PC ewig bindet.

Aber kein Grund zur Schadenfreude: Gestern traf es mich selber. Ich war gezwungen im Zuge von Arbeiten für einen Kunden mal wieder meine 2 Windows 7-Systeme anzuwerfen. Beide laufen unter VMware – eines auf einem Linux-PC, das andere auf einem Linux-Laptop. Das letzte Mal hatte ich das erste Windows-System Anfang März 2016 gestartet – zum Updaten – aber auch da waren schon 2 Monate ohne Benutzung ins Land gegangen. Also habe ich seit Januar dieses Jahres ohne jeglichen Einsatz von Windows gelebt; eigentlich ein Grund zur Freude! Aber Windows wäre nicht Windows, wenn es keine Probleme gäbe – das dicke Ende kam dann prompt.

Im März hatte ich das Windows-System während einer Fernsehsendung sich selbst überlassen und den Update-Prozess nicht so genau verfolgt. Möglicherweise existierte das Problem, das ich jetzt feststellen musste, damals schon. Win 7 benötigte nach dem gestrigen Neustart einige Zeit, um festzustellen, dass es ca. 35 Updates einspielen muss. OK, nicht so verwunderlich. Also: Download und Installation gestartet. Dann vergingen Stunden (!) – ohne dass irgendetwas erkennbar Sinnvolles passierte.

Ein Blick in den Task Manager ergab: Ein “svhost.exe”-Prozess rödelte und rödelte auf dem System vor sich hin. Und wie bei meiner Bekannten ziemlich CPU-intensiv: Von 2 CPU-Kernen, die ich VMware zur Verfügung gestellt hatte, war einer immer zu 100% ausgelastet, manchmal aber auch beide. Die Nutzung des RAMs (4GByte) variierte oberhalb von 80 % bis hin zu 95%. Ohne jede Fortschrittsanzeige. Ein paralleler Blick auf unsere Firewall und unseren Router zeigte währenddessen so gut wie keine Netzaktivität.

Ich habe dann testweise mein anderes (ebenfalls virtualisiertes) Windows-7-System auf dem Laptop gestartet. Das gleiche Chaos – über Stunden. Auf dem PC-System habe ich dann nach 3 Stunden den Update-Prozess abgebrochen; es wurden dann drei kleinere Updates von 5 erfolgreich installiert; für 2 weitere kamen Fehlermeldungen, der Rest der 35 Updates wurde als abgebrochen angezeigt. Ein erneuter Versuch, Updates zu such und zu laden, mündete dann erneut in einen nicht enden wollenden Suchvorgang, erst mit hoher CPU-Auslastung durch einen msinstaller-Prozess, dann wieder svchost.exe – ohne jeden erkennbaren Fortschritt. Ich habe dann entnervt abgeschaltet.

Der einzige Trost: Ich war und bin nicht allein. Offenbar gab und gibt es seit Juli 2015 (!) regelmäßig Probleme mit Windows 7 und automatischen Updates. Ich gebe als Beleg nur 2 Links zu relativ aktuellen Blogs an, die gleichzeitig Hinweise zur Problembehebung enthalten; die Trefferliste von Betroffenen, die sich im Internet zu Schlagwörtern wie “windows 7 updates slow high cpu” äußern, ist aber gigantisch :

https://alexanderschimpf.de/windows-7-update-es-wird-nach-updates-gesucht
http://www.borncity.com/blog/2016/07/17/windows-7-und-die-langsame-update-suche-july-2016/comment-page-1/

Dass es auf manchen Systemen noch zu ganz anderen gravierenden Problemen mit Windows 7 Updates kommen kann, illustrieren folgende Artikel
http://www.computerworld.com/article/3070446/windows-pcs/windows-update-on-windows-7-is-still-a-problem.html
https://blog.botfrei.de/2016/05/microsoft-update-fuer-windows-7-sorgt-fuer-probleme/

Im übrigen scheint auch Win 10 von Update Problemen betroffen zu sein:
https://www.quora.com/Microsoft-Windows-10-Why-is-Windows-10-update-extremely-slow
https://support.microsoft.com/de-de/kb/3102810
http://www.itpro.co.uk/operating-systems/25802/15-windows-10-problems-and-how-to-fix-them-5

Was bin ich froh, dass ich mich mit dieser Art von Problemen normalerweise nicht auseinandersetzen muss! Mir tun die (z.T. regelmäßig) Betroffenen ehrlich leid.

Lösung für Win 7

Ich bin dann heute dem Ratschlag der Artikel hinter den beiden ersten Links gefolgt:

  • Schritt 1: Das Windows Update Tool über die Systemsteuerung (temporär) so einstellen, dass es nicht nach neuen Updates sucht.
  • Schritt 2: manueller Download folgenden Paketes, das viele Updates bündelt und einer Art Service Pack für Win 7 [64Bit] entspricht:
    windows6.1-kb3172605-x64_26f4cc7831a0d76393445b7b0a1a3ed5cd5b4047.msu
    Link:
    http://download.windowsupdate.com/d/msdownload/update/software/updt/2016/07/windows6.1-kb3172605-x64_26f4cc7831a0d76393445b7b0a1a3ed5cd5b4047.msu
    (siehe auch: https://alexanderschimpf.de/windows-7-update-pack)
     
    Nachtrag 29.09.2019: Nutzer eines 32Bit-Windows-7-Systems müssen sich folgendes Paket herunterladen und installieren:
    http://download.windowsupdate.com/d/msdownload/update/software/updt/2016/07/windows6.1-kb3172605-x86_4a9464688e111c4c1f63f94b543495f15ce6558d.msu
  • Schritt 3: Doppelklick auf die heruntergeladene Datei. Es öffnet sich ein rel. kleines, abgeundetes Fenster des Win 7 Update-Prozesses. Und der beginnt leider erneut mit der stundenlangen Suche nach Updates … grrr .. Die automatischen Update-Prozesse, die das Chaos verursachen laufen also noch.
  • Schritt 4: Taskmanager starten (Ctrl-Alt-Delete) => alle Prozesse anzeigen lassen und nach CPU-Verbrauch sortieren => den führenden “svchost.exe”-Prozess, der praktisch einen CPU-Kern (oder die ganze CPU) auslastet, manuell beenden.
  • Schritt 5: Erneuter Doppelklick auf die heruntergeladenenn msu-Datei. Leider kommt dann typischerweise noch eine Warnung des Typs: “Only one instance of wusa.exe is allowed to run” => Task-Manager => Prozessanzeige => alphabetisch sortieren => wusa.exe-Prozess beenden.
  • Schritt 6: Erneuter Klick auf die heruntergeladene msu-Datei => es öffnet sich nun ein (rechteckiges) Fenster, das nach wenigen Augenblicken eine Bestätigung zur Installation anfordert => Installation durchführen lassen.

Dann passiert tatsächlich was. Nach relativ kurzer Zeit (bei mir ca. 2 Minuten) ist die Installation fertig. Nach dem bei Windows üblichen
kompletten Systemneustart den Abschluss der Installation abwarten. Danach einloggen und die Einstellungen zum Windows-Update wieder ändern; bei mir “Nach Updates suchen, aber Zeitpunkt zum Herunterladen und Installieren manuell festlegen”. Dann erneut nach Updates suchen lassen.

Das Positive war, dass die Suche nun nur ca. 1 bis 2 Minuten dauerte. Merkwürdig allerdings, dass nun auf einmal 45 Updates gefunden wurden, die noch zu installieren waren (ohne die optionalen). Also deutlich mehr als ursprünglich erkannt. Über die Gründe kann man nur spekulieren: Vielleicht setzten die neuen Updates die vorherige Installation anderer Updates voraus – und Windows ist nicht in der Lage, das vernünftig zu organisieren. Oder schlicht Fehler? Wer weiß.
Das Ganze bestätigt nur, wie seltsam und ineffizient das Windows-Update-System organisiert ist – und wie der User eigentlich hilflos daneben steht. Jedenfalls liefen sowohl der Download und auch die Installation danach wieder zügig durch. Auch für optionale Updates und auch – mit gleicher Vorgehensweise – auf dem zweiten Win 7 System.

Habe aufgrund dieses Erfolges nun meine Bekannte unterrichtet: Auch da führte das Procedere zum Erfolg. Sie kann nun – nach einem halben Jahr Leiden und Arbeitsbehinderung durch hohe CPU-Auslastung eines nie enden wollenden Update-Prozesses – endlich wieder mit ihrem Windows arbeiten. Die Arme …

Fazit

Windows ist immer mal wieder ein Leiden. Gott sei Dank gibt es so nette Leute wie die Herren Dr. Schimpf und Hrn. Born, die die oben genannten Artikel geschrieben haben – Ihnen gebührt Dank für ihre Versuche und Tests. Wie einer von Ihnen sagte: Zumindest bis zum nächsten patch day …

Und zum Abschluss noch folgende Feststellung: Würde sich jemand mal die Mühe machen, die durch die Windows-Update-Probleme entstandene Arbeitsbehinderung für betroffene Normal-User in Deutschland zu ermitteln und hochzurechnen, so würde man wahrscheinlich feststellen, dass die Nutzung von Win 7 im letzten Jahr massive volkswirtschaftliche Schäden verursacht hat. Neben verlorener Arbeitszeit ist auch der verursachte überflüssige Stromverbrauch zu nennen.

Ein Grund mehr, sich über sein Linux zu freuen – und den relativen Komfort der dortigen Paket-Manager zu genießen.

Windows 10 und die Süddeutsche Zeitung

Man würde meinen, dass die Technik-Sparte einer seriösen Zeitung wie der SZ von Journalisten gestaltet wird, die die Kunst der kritischen Distanzwahrung und der sachlichen Informationsweitergabe zu kontroversen Themen gelernt haben. Oder im Zweifel zumindest Fachleute (!) mit unterschiedlichen, aber begründeten Ansichten zu einem kontroversen Thema zu Wort kommen lassen.

Hrn. Hurtz von der SZ hat es heute mit seinem Artikel
“Heute noch geschenkt, bald richtig teuer”
(http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/windows-betriebssystem-heute-noch-geschenkt-bald-richtig-teuer-1.3095229)
zur kommenden Kostenpflichtigkeit von Windows 10 geschafft, technischen Journalismus in ungeahnte Tiefen zu führen. Und er hat den erreichten Tiefpunkt dann nochmal durch einen nachgeschobenen Online-Artikel
http://www.sueddeutsche.de/digital/microsoft-warum-sie-keine-angst-vor-windows-haben-muessen-1.2835023
tiefer gelegt.

Ich habe die genannten Artikel gleich dreimal lesen müssen, weil man es ja kaum für möglich hält, wie distanzlos sich die SZ – hoffentlich ungewollt – vor den Karren der Interessen Microsofts spannen lässt. Ich persönlich halte bekanntermaßen wenig von MS-PC-Produkten – das ist eine, nämlich meine Sache. Aber Artikel, in der die Presse in fast humorigem Ton die Werbe-Arbeit von MS verrichtet, ist eine andere. Ich erlaube mir, in diesem Fall ein großes Fragezeichen hinter die Seriosität der genannten Artikel und hinter die interne Qualitätssicherung bei der SZ zu setzen. Ehrlich, die Lektüre ist mir aufs Gemüt geschlagen – ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die SZ so was publiziert. Der Frust macht ein wenig Polemik zur erneuten Gewinnung des inneren Gleichgewichts fast unerlässlich. Wohlgemerkt, mir geht es dabei gar nicht um Microsoft. Das vertritt wie jedes Unternehmen legitimerweise seine Interessen – und Windows 10 interessiert mich nun wirklich nur peripher. Mir geht es darum, wie abgrundtief schlecht die obigen Artikel sind.

Welche neutrale Sachinformationen liefert uns der erste der genannten Artikel, der sich in der heutigen Druckausgabe der SZ über 5 Spalten erstreckt und vom nicht bebilderten Teil der Seite etwa die Hälfte einnimmt? Genau zwei: Windows 10 wird ab August etwas kosten. Und MS hat das eigene Ziel von 1 Milliarde Upgrades bislang weit verfehlt. Das war’s. Dafür würde man wohl kaum 5 Spalten brauchen. Nun könnte sich an die Sachinformationen ja z.B. eine Gegenüberstellung begründeter (!) Argumente für und gegen ein Upgrade von Windows 10 anschließen. Aber was lesen wir?

Da ist zunächst wortgewaltig von “religiösem Eifer” und “Glaubenskriegen” der Gegner von Windows 10 die Rede. Wir erfahren unter Zuhilfenahme eines Zitats von Umberto Ecco von 1994 (!), dass die IT-Welt schon immer in 2, seit kurzem aber sogar 3 religiöse Lager geteilt sei: Apple-Anhänger, Windows 10- und Windows 7-Anhänger. Dass die schärfste Kritik an Windows 10 möglicherweise gar nicht von Apple- oder Windows 7 Anhängern kommt, muss man sich als Leser erst viel später aus der beiläufigen Erwähnung von Klagen deutscher Verbraucherschutz-Verbände erschließen.

Der Rest des verfügbaren Platzes wird durch die Wiedergabe von Einschätzungen des Leiters des Geschäftsbereichs für Windows von MS Deutschland zur Kritik an Win 10 in Anspruch genommen. Von diesem Herrn erfahren wir dann lang und breit, welche wenig stichhaltige Argumente die Windows 10 Gegner (angeblich) ins Feld führen – etwa “never touch a running system” (gemeint ist Windows 7). Das sitzt … ich reibe mir die Augen und bin echt betroffen. So hatte ich das Thema Windows 10 zwar noch nie gesehen; aber wenn ein Geschäftsführer von MS das sagt ….. Richtig beeindruckend, diese
saubere, gründliche Journalistenarbeit von der SZ ….

Und dann wird es wirklich interessant – es geht um “Die beiden zentralen Kritikpunkte an Windows 10 – Datenschutzbedenken und Zwangsupgrade”. Na, was erfahren wir wohl dazu? Ja, die halte der Leiter des Windows-Geschäftsbereichs Deutschland für “überschätzt”. Ach wirklich? Echt ???… das hätte ich nun überhaupt nicht erwartet…. Der journalistische Tiefgang des Artikels, der das alles kommentarlos weitergibt, beeindruckt mich immer mehr …

Und weiter: Wer wolle, könne ja die “meisten Überwachungsfunktionen abschalten”. usw., usw.. “Und was viele Nutzer als penetrante Aufforderung zum Upgrade empfunden haben” hält der Geschäftsführer von MS für ein vernünftiges Vorgehen. “Niemand sei … zwangsbeglückt worden”. Diese Botschaft freut sicher jeden, der mal versucht hat, die “Beglückung” durch Werkeln in der Wndows-Registry abzuschalten.

Die journalistische Meisterleistung von Hrn. Hurtz wird abschließend von der Wiederholung seiner Erkenntnis gekrönt, dass sich die Tech-Szene in Kürze in drei “Religionen” (Apple, Win 10, Win 7) teilen werde. Halt – da entdeckt der SZ-Journalist doch noch eine weitere Gruppe – nämlich die “Atheisten” – ja, liebe Leute, das sind wir, die mit Linux.

Wem der Salat an MS-Meinungswiedergabe als Haupt-“Information” des Artikels noch nicht gereicht hat, der konnte ergänzend einen 2-spaltigen Kasten mit Kleingedrucktem lesen, in dem die schöne neue Welt von Windows angepriesen wird: Nur noch laufende Updates eines ewigen Windows 10 und verbesserte Funktionen “eines bereits stimmigen Betriebssystems”. Ja, wer’s mag – wie offenbar besagter Redakteur der SZ – für den ist das halt das Höchste ..

In dieser begrenzten Logik bleibt die (IT-) Erde auch weiterhin eine Scheibe … sie wird in Zukunft nur viel runder und noch stimmiger. Never touch a running ideology … die religiösen Eiferer aus dem Apple und Win 7-Lager und wir, die “Atheisten” aus dem Linux-Lager, haben da nur noch nicht genau genug hingesehen. Der Abgrund am Rand der Scheibe ist jetzt dank ausführlicher Nutzungsklauseln sogar markiert und mit dem verbesserten Angebot kann man noch tiefer in ihn hineinsehen – kein Grund mehr ihn zu überschätzen … Danke, liebe SZ, für diese humorig verfasste “Information” – endlich habe ich es begriffen! Bleibt nur die Frage, warum Hr. Hurtz nicht einfach, kurz und prägnant geschrieben hat:

Liebe MS-Gläubigen, die ihr bisher der täglichen frohen Upgrade-Botschaft aus völlig unverständlichen bis ketzerischen Gründen nicht gefolgt seid: Beeilt euch mal – denn sonst muss MS den Klingelbeutel in der Gemeinde rumgehen lassen. Und wie wir aus gewöhnlich bestens informierten Kreisen der MS-Geschäftsführung erfahren haben, sind alle eure Motive, Windows 10 nicht einzusetzen, in der Nähe religiösen Eifertums angesiedelt, aber objektiv nicht nachvollziehbar. Die MS-Geschäftsführung weiß das – und natürlich auch, was wirklich gut für euch ist !! Ihr müsst es einfach nur glauben. Und Datenschutz in Europa und Deutschland ist ja eh’ schon immer überschätzt worden. Nun aber bitte gleich upgraden – damit MS seine Geschäftsziele erreicht. Sonst Strafgebühr ….

Das wäre wenigstens klar, ehrlich und platzsparend gewesen – und man müsste sich als Leser nach der Lektüre nicht verzweifelt die Frage stellen, ob Hr. Hurtz in seinem aufklärerischen Eifer schlicht nicht gemerkt hat, dass dieser Artikel auch aus der Werbeabteilung Microsofts stammen könnte. Bis 15:00 Uhr habe ich noch an Unbedarftheit geglaubt; aber dann wird von der SZ online noch ein weiterer Artikel nachgeschoben mit dem Titel: “Warum Sie keine Angst vor Windows 10 haben müssen”.

Einige Argumente werden auch in diesem Artikel wieder aus dem reichen Erkenntnisschatz von MS geliefert: Das Datenabgreifen erfolge ja im besten Interesse des Nutzers und würde nur in anonyme Statistiken einfließen. Wer die Nutzungsbedingungen ganz lese (was aber wegen der
Länge kaum einer tue) könne das begreifen. Und MS würde nie persönliche Mails durchsuchen, um Werbung zu schalten. Sagt MS – und dann wird es ja wohl stimmen und muss von der SZ unreflektiert verbreitet werden. Offen bleibt in diesem einseitigen Diskurs die Frage der Ketzer: Aber warum werden z.B. die Mails der Windows 10 User dann überhaupt auf MS-Server übertragen?

Ich selbst habe alle Nutzungsbedingungen von MS Win 10 sehr genau gelesen – auch das flankierende Service Agreement: Da bleiben eigentlich keine Fragen offen. Du akzeptierst als Nutzer, dass MS bei Standardeinstellungen und im Zweifel zu Wartungszwecken alle deine Daten auf eigene Server transferiert. Wozu? Tja, da muss der MS-Adept halt einfach glauben, dass das zu seinem Wohle ist. Zu platt? Stimmt, denn selbst Hrn. Hurtz kommt dann auf Seite 2 des Artikels der schlimme Verdacht, das selbst die bislang Gläubigen nicht so einfach von neuen Götzen zu überzeugen sein werden. Und die Predigt nimmt dann eine neue Richtung:

“Komfort gibt es nur im Tausch gegen Privatsphäre …jeder Zugewinn an Komfort geht mit einem kleinen Verlust an Privatsphäre einher. Das ist bei Google und Apple aber nicht anders.” Denn: Das mit dem Komfort funktioniert nur – Zitat – “wenn man bereit ist, einen Teil seiner Privatsphäre zu opfern. Es gibt gute Gründe, diese Entwicklung zu bedauern. Aber es gibt keinen guten Grund, allein Microsoft an den Pranger zu stellen, weil sie mit der Zeit gehen. Wer diesen Weg nicht mitgehen will, hat längst eine gute Alternative zu Windows und iOS. Sie heißt Linux.

Aha, Überraschung: Privatsphäre geht bei Einsatz von Windows 10 womöglich doch verloren – aber ich soll MS halt glauben, dass das zu meinem Besten ist. Und dass andere Anbieter von PC- und Smartphone -Betriebs-Systemen auch nicht besser sind, ist dabei ein wirklich tröstlicher und tiefer Gedanke von Hrn. Hurtz. Habt keine Angst, liebe Gläubigen …in den Paradiesen der zukünftigen IT werden wir alle gleich unfrei sein.

Der Artikel erteilt dann abschließend noch die Absolution für die Ketzer; moderne Botschafter von Betriebssystem-Religionen sind schließlich liberal. Denn wer die beschriebene Opferung der informationellen Selbstbestimmung auf dem Altar des Dogmas “Komfort hat den Preis der Privatsphäre” partout nicht einsehen wolle, könne sich ja (ganz im Sinne des ersten Artikels) als Atheist aus den genannten drei Kirchen abmelden – durch die Benutzung von Linux. Letzteres muss gemäß der Hurtz’schen Argumentation und Logik aber leider höllisch unkomfortabel sein.

Na dann, liebe Linuxer – auf ins Fegefeuer … da muss man wenigstens keinen miserablen Journalismus mehr ertragen …